Lehrerkram

Notenpool — Bewertung von Gruppenarbeit

Die wesent­li­chen Schwie­rig­kei­ten bei der Bewer­tung von Grup­pen­ar­bei­ten sind kein Geheim­nis:

  1. Die gerech­te Bewer­tung des Arbeits­pro­zes­ses ist schwie­rig, da man als Lehr­kraft nie garan­tie­ren kann, die Arbeit aller Grup­pen und aller Schü­le­rin­nen und Schü­ler im Detail mit­be­kom­men zu haben. Ins­be­son­de­re dann nicht, wenn in meh­re­ren Räu­men gear­bei­tet wird.
  2. Damit wird auch die Bil­dung einer gerech­ten Note für jedes Grup­pen­mit­glied schwie­rig. Hier gibt es zwei gän­gi­ge Lösungs­we­ge: Ent­we­der man bewer­tet abschlie­ßend das Pro­dukt der Grup­pen­ar­beit ins­ge­samt und gibt der Grup­pe eine Note, die gleich­zei­tig für jedes Mit­glied der Grup­pe gilt, oder man ver­sucht nach bes­tem Wis­sen und Gewis­sen (aber Vor­sicht: sie­he Punkt 1.) die Note für das Grup­pen­pro­dukt je nach Arbeits­ein­satz für ein­zel­ne Mit­glie­der zu heben oder zu sen­ken.

Eine Mög­lich­keit, wie Pro­dukt und Pro­zess weit­ge­hend gerecht und indi­vi­du­ell bewer­tet wer­den kön­nen, ist der Noten­pool:

  • Für das Pro­dukt der Grup­pe wer­den Noten­punk­te ent­spre­chend der Sekun­dar­stu­fe II (0−15) ver­ge­ben.
    Für ein befrie­di­gen­des Ergeb­nis, also die Schul­no­te 3, gibt es dann 8 Punk­te.
  • Die Anzahl der Punk­te wird mit der Anzahl der Grup­pen­mit­glie­der mul­ti­pli­ziert.
    Eine Vie­rer­grup­pe hät­te im obi­gen Bei­spiel bei der Note 3 nun ins­ge­samt 32 Punk­te zur Ver­fü­gung.
  • Jedes Grup­pen­mit­glied ver­teilt in Ein­zel­ar­beit die Punk­te auf die ein­zel­nen Mit­glie­der und legt eben­falls fest, wie vie­le Punk­te es sich selbst geben wür­de.
    Wich­tig ist hier­bei, dass nie­mand mehr als 15 Punk­te bekom­men kann.
  • Alle Mit­glie­der eini­gen sich in der Grup­pe auf die end­gül­ti­ge Ver­tei­lung der Punk­te für jeden Ein­zel­nen.
    Die indi­vi­du­ell ver­ge­be­nen Punk­te wer­den jetzt aus­ge­han­delt, dabei muss die Ober­gren­ze der ins­ge­samt zur Ver­fü­gung ste­hen­den Punk­te natür­lich im Blick behal­ten wer­den.
  • Die Grup­pe teilt ihr Ergeb­nis der Lehr­kraft mit, die die indi­vi­du­el­len Punk­te wie­der in Noten umrech­net.

Natür­lich muss die­ses Ver­fah­ren wie alle koope­ra­ti­ven Ver­fah­ren ein­ge­übt wer­den, bie­tet dann aber eini­ge Vor­tei­le gegen­über der klas­si­schen Bewer­tungs­pra­xis:

  1. Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler sind die Exper­ten für den jewei­li­gen Arbeits­an­teil und Ein­satz der ein­zel­nen Grup­pen­mit­glie­der, Fehl­ein­schät­zun­gen durch die Lehr­kraft („Immer, wenn ich zu euch rüber­ge­se­hen habe, hast du nichts getan!“) sind aus­ge­schlos­sen.
  2. Die Lehr­kraft kann eine kri­te­ri­en­ori­en­tier­te und objek­tiv nach­voll­zieh­ba­re Note für das Pro­dukt der Grup­pen­ar­beit geben, ohne sich um die Bewer­tung des Pro­zes­ses küm­mern zu müs­sen. Die­sen bezie­hen die Schü­le­rin­nen und Schü­ler bei ihrer Noten­ver­tei­lung mit ein. („Ihr habt die gan­ze Zeit nur dane­ben geses­sen, ich muss­te alles allein schrei­ben.“)
  3. Die Note ent­steht in koope­ra­ti­ver Wei­se und setzt damit die Grup­pen­ar­beit und die Ent­wick­lung der ent­spre­chen­den Kom­pe­ten­zen fort.
  4. Die Lehr­kraft bleibt zwar auch bei die­sem Ver­fah­ren die exter­ne bewer­ten­de Instanz, aber die Gren­ze zwi­schen Schü­ler­ar­beit und Leh­rer­ur­teil löst sich zum­ni­dest etwas wei­ter auf, wenn die Schü­le­rin­nen und Schü­ler in die Noten­ge­bung ein­be­zo­gen wer­den.

Die mög­li­chen Nach­tei­le sol­len aber auch nicht ver­schwie­gen wer­den:

  1. Es ist denk­bar, dass die Schü­le­rin­nen und Schü­ler sich weni­ger für die indi­vi­du­el­le Noten­bil­dung inter­es­sie­ren, als ver­mu­tet. In dem Fall wür­de die Mul­ti­pli­ka­ti­on der Punk­te ein­fach rück­gän­gig gemacht wer­den und jeder die von der Lehr­kraft ver­ge­be­nen Punk­te neh­men. Aber auch das wäre dann ja eine Ent­schei­dung der Grup­pe.
  2. Die Ver­tei­lung der Punk­te unter­bleibt erfah­rungs­ge­mäß ober­halb von 12 Punk­ten. Mit die­ser Note sind die meis­ten Grup­pen­mit­glie­der zufrie­den, sodass nie­mand auf 13 oder mehr Punk­ten besteht. Damit ent­fällt für die Schü­le­rin­nen und Schü­ler die Not­wen­dig­keit der indi­vi­du­el­len Auf­tei­lung.
  3. Mög­lich ist auch, dass ein­zel­ne Grup­pen­mit­glie­der die Noten­fin­dung domi­nie­ren und eine von den ande­ren als gerecht emp­fun­de­ne Ver­tei­lung der Punk­te nicht zulas­sen. Soll­te man sol­che Ten­den­zen inner­halb der Lern­grup­pe fest­stel­len, ist es sinn­voll, die Ergeb­nis­se der Ein­zel­ar­beit des Noten­pools ver­schrift­li­chen zu las­sen und ein­zu­sam­meln, bevor die Grup­pe sich auf die Punk­te­ver­tei­lung einigt. Anfangs müs­sen ver­mut­lich ein­zel­ne Grup­pen im Pro­zess der Punk­te­ver­tei­lung durch die Lehr­kraft beglei­tet und bera­ten wer­den.

Inzwi­schen habe ich das Ver­fah­ren um ein „Veto­recht“ für mich erwei­tert: Ich behal­te mir vor, ein­zel­nen Schü­le­rin­nen und Schü­lern im Anschluss eine bes­se­re Note zu geben, als sie in Punk­ten erhal­ten haben, falls ich eine beson­de­re Leis­tung fest­ge­stellt habe.
Dabei ände­re ich die von der Grup­pe aus­ge­han­del­te Ver­tei­lung nicht, son­dern ver­ge­be nur zusätz­li­che Punk­te über die ursprüng­li­che Gesamt­punkt­zahl hin­aus.

0 Comments on “Notenpool — Bewertung von Gruppenarbeit

  1. Hal­lo Arne,
    dan­ke für die­sen inter­es­san­ten Arti­kel.
    Wenn ich Dei­nen Ansatz rich­tig ver­stan­den habe, ich es mit Dei­nen Sys­tem nicht mög­lich, dass alle vier Grup­pen­mit­glie­der (wenn sie denn alle echt flei­ßig waren) die Note 2 bekom­men, also umge­rech­net 11 Punk­te, da 4 x 11 = 44 > 32.
    Wenn also ein Schü­ler eine bes­se­re Note als 3 bekommt, bedeu­tet das auto­ma­tisch, dass ein zwei­ter Schü­ler der Grup­pe eine schlech­te­re Note als die 3 bekommt.
    Das fin­de ich pro­ble­ma­tisch und zu sehr ein­schrän­kend.
    Bes­te Grü­ße
    Fre­de­rik

  2. Das ist wohl ein Miss­ver­ständ­nis, da habe ich mein Bei­spiel aus dem ers­ten Schritt unglück­lich fort­ge­setzt.
    Natür­lich kön­nen alle Grup­pen­mit­glie­der auch gute oder sehr gute Noten bekom­men, die 32 Punk­te sind nicht die gene­rel­le Ober­gren­ze, son­dern nur die Gesamt­zahl bei einer Vie­rer­grup­pe mit der Note 3.
    In der Rea­li­tät erle­be ich es sogar häu­fig, dass Grup­pen, deren Ergeb­nis eine 2 ist, gar kei­ne Ver­tei­lung mehr vor­neh­men, son­dern alle die 11 Punk­te ein­strei­chen.
    Ich habe mein Bei­spiel jetzt etwas gründ­li­cher for­mu­liert — dan­ke für den Hin­weis.

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