Lehrerkram

Schriftliche Arbeiten mit Schülern erstellen

Für die vier­te und letz­te Arbeit in mei­nem Pro­fil­kurs Wirt­schaft habe ich eine klei­ne Lücke im Erlass zu den schrift­li­chen Arbei­ten aus­ge­nutzt, um ein­mal einen ande­ren Weg zu pro­bie­ren: Mir sind Anzahl der schrift­li­chen Arbei­ten, maxi­ma­ler zeit­li­cher Umfang und ande­re Bedin­gun­gen vor­ge­schrie­ben, nicht aber, wer die Arbeit zu erstel­len hat.

Genau genom­men heißt es dort:
„Bewer­te­te schrift­li­che Arbei­ten müs­sen aus dem Unter­richt erwach­sen und in ihrer Art und in ihrem Umfang der Ent­wick­lungs­stu­fe und dem Lern­stand der Schü­le­rin­nen und Schü­ler ange­mes­sen sein.“

Und wei­ter:
„Bewer­te­te schrift­li­che Arbei­ten wer­den in der Regel von allen Schü­le­rin­nen und Schü­lern einer Klas­se oder Lern­grup­pe unter Auf­sicht gleich­zei­tig und unter glei­chen Bedin­gun­gen ange­fer­tigt.“

So weit, so klar und unstrit­tig.
Aber wäh­rend ich — wie man­che ande­ren Leh­rer ver­mut­lich auch — schon immer mal Schü­ler-Fra­gen aus z. B. der letz­te Übungs­stun­de in eine Arbeit über­nom­men habe, woll­te ich die­ses Mal wei­ter gehen. Die­ses Mal soll­ten die Schü­ler die gan­ze Arbeit kol­la­bo­ra­tiv erstel­len, wobei ich mir nicht mehr oder weni­ger Rech­te zuge­ste­hen woll­te, als dem Rest der Grup­pe. (Vor­ab: Das Letz­te hat nicht ganz geklappt.)

Ich habe dazu die spä­te­re Arbeit als lee­res Doku­ment in Goog­le Dri­ve ange­legt und zur Bear­bei­tung frei­ge­ge­ben. Ledig­lich die Tabel­len­struk­tur war zur Ver­ein­fa­chung schon ange­legt.

Das Doku­ment habe ich in Cloud­school in einen geson­der­ten Kurs ein­ge­bet­tet, sodass die Schü­ler im Rah­men des regu­lä­ren Unter­richts jeder­zeit Zugriff dar­auf hat­ten.
Gleich­zei­tig haben die Schü­ler eine Check­lis­te bekom­men, was in den kom­men­den Stun­den gelernt wer­den müs­se und im Kern Inhalt der Arbeit sein sol­le.

Dann habe ich den Schü­lern mit­ge­teilt, dass sie jetzt die Gele­gen­heit hät­ten, ihre Arbeit sel­ber zu ent­wi­ckeln. Dabei kön­ne jeder Vor­schlä­ge zu Fra­gen und deren Bewer­tung machen, gleich­zei­tig könn­ten bereits vor­han­de­ne Fra­gen kom­men­tiert, ver­än­dert und wei­ter ver­bes­sert wer­den.
Auch ich wür­de an dem Doku­ment arbei­ten und dür­fe eben­so wie sie ver­bes­sern oder ver­bes­sert wer­den.

Sobald aller­dings jemand bloß Blöd­sinn schrei­ben wür­de, wäre das Expe­ri­ment auf der Stel­le been­det.

In den fol­gen­den Stun­den haben die Schü­ler das Doku­ment in Kür­ze erobert und bes­ser dar­an gear­bei­tet, als ich es vor Beginn des Expe­ri­ments erwar­tet hät­te.
Ein­ge­tra­ge­ne Fra­gen wur­den nicht ein­fach gelöscht, son­dern in ver­än­der­ter For­mu­lie­rung dar­un­ter geschrie­ben oder kom­men­tiert. Das hat zwar dazu geführt, dass nach eini­ger Zeit man­che Fra­gen drei­fach vor­han­den waren, aber die Ver­fei­ne­rung der Fra­gen war gut nach­zu­voll­zie­hen. (Goo­g­le­Docs hat zwar auch eine Chro­nik, in der sich die Ver­än­de­run­gen am Doku­ment nach­le­sen las­sen, aber der Weg war den Schü­lern zu umständ­lich.)

Ohne mein Zutun erga­ben sich neben den zu erwar­ten­den bil­li­gen eher ein­fa­chen Fra­gen auch eini­ge schwe­re­re Fra­gen, deren Ant­wor­ten nicht unbe­dingt aus dem Ärmel geschüt­telt wer­den konn­ten. Aller­dings blie­ben alle Fra­gen in den Anfor­de­rungs­be­rei­chen I oder II, tie­fer­ge­hen­de Trans­fer-Auf­ga­ben oder gar offe­ne­re Fra­ge­stel­lun­gen haben sich nicht erge­ben.

Aber ich durf­te ja auch mit­ma­chen…
Wenig über­ra­schend war also ich nun für die Fra­gen mit den Ope­ra­to­ren „Begrün­de“, „Nimm Stel­lung“ oder „Erläu­te­re“ zustän­dig, die zwar nicht immer erfreut kom­men­tiert, aber immer­hin auch nicht gelöscht wur­den. (Was wäre eine gute Arbeit in Wirt­schaft oder Poli­tik denn ohne eine Kari­ka­tur?)

Am Ende der Ein­heit hat­ten wir eine Arbeit mit rund 15 Fra­gen. Eini­ge einer 10. Klas­se ange­mes­sen, vie­le für mei­nen Geschmack zu ein­fach. Aber ver­spro­chen war ver­spro­chen, und die letz­te Arbeit (zumal in der Vor­wo­che der Abschluss­ar­bei­ten) durf­te von mir aus auch ger­ne ein wenig leich­ter aus­fal­len.

Was über­haupt nicht geklappt hat, war die Bepunk­tung der Auf­ga­ben. An die­ser Stel­le habe ich dann doch stär­ker ein­ge­grif­fen, als geplant, und die­sen Part voll­stän­dig über­nom­men.
Die Ein­schät­zung einer tref­fen­den Punkt­zahl zu ein­zel­nen Auf­ga­ben fällt selbst Lehr­kräf­ten nicht immer leicht — wie sol­len es die Schü­ler da aus dem Steg­reif kön­nen?

Und am Ende?

Ich gebe zu: Mei­ne größ­te Sor­ge bei die­sem Expe­ri­ment war, dass die Ergeb­nis­se zu gut sein könn­ten. Ich zie­le bei schrift­li­chen Arbei­ten kei­nes­wegs auf eine Nor­mal­ver­tei­lung ab, aber hät­te sich ein Schnitt von 1,0 erge­ben, wäre die­ses Expe­ri­ment einer kol­la­bo­ra­ti­ven Arbeit nicht nach­ah­mens­wert gewe­sen.

Tat­säch­lich aber sah das Ergeb­nis mit sie­ben guten Arbei­ten zwar weit­aus bes­ser aus als die vor­he­ri­gen, war aber mit nur einem sehr guten und zwei ledig­lich aus­rei­chen­den Ergeb­nis­sen offen­bar doch für den einen oder ande­ren nicht nur so neben­bei zu lösen.

Fazit: Ich wer­de wei­te­re Arbei­ten auf die­se Wei­se gestal­ten gestal­ten las­sen. Mit einer bes­se­ren Vor­be­rei­tung und geziel­te­ren Hil­fe­stel­lun­gen durch mich kön­nen die Schü­ler viel­leicht tat­säch­lich ler­nen, eine aus­ge­wo­ge­ne Arbeit zur Über­prü­fung des von ihnen Gelern­ten zu erstel­len und sogar ein Gespür dafür bekom­men, Anfor­de­rungs­ni­veaus zu unter­schei­den und rich­tig ein­zu­schät­zen.
Und wer weiß: Viel­leicht mache ich es irgend­wann zu einer Arbeit, eine eige­ne Arbeit zu erstel­len und die gewähl­ten Auf­ga­ben zu begrün­den. Dann wäre etwas gelernt.

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